DZLM-Schwerpunktprojekt
Lernwege von Lehrkräften in einer langfristigen Fortbildung zum Differenzieren im Mathematikunterricht
Motivation und Zielsetzung
Der Umgang mit Heterogenität ist einer der aktuellen Bereiche, in dem ein hoher Bedarf an Professionalisierung und Unterstützung wahrgenommen wird (IQB, 2012). Trotz der Vielzahl an bereits entwickelten und durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen (Leuders, Schmaltz & Erens, 2017), ist wenig darüber bekannt, wie Lehrkräfte diese Unterstützung mit ihrer Unterrichtspraxis verbinden. Um eine empirische Grundlage für die Optimierung von Fortbildungen in diesem Bereich zu schaffen, soll untersucht werden, in welcher Weise Lehrkräfte Impulse zum differenzierenden Mathematikunterricht aufnehmen und verarbeiten. Dazu fokussiert das Projekt a) auf einen zentralen, aber eingegrenzten Fortbildungsgegenstand (Differenzieren mit Aufgaben), b) die empirische Erfassung der Eingangskompetenzen durch die Entwicklung und Validierung geeigneter gegenstandsspezifischer Testinstrumente, c) die Rekonstruktion von Lernwegen und typischen Lernhürden. Als Ergebnis der Projektes wird sowohl eine konkrete (adaptierbare) Fortbildungskonzeption für Mathematiklehrkräfte der Sekundarstufen als auch auf Verallgemeinerbarkeit prüfbares Wissen zu Lernprozessen von Lehrkräften erwartet.
Theoretische Rahmung und Forschungsfragen
Lehrerfortbildungen bekannt (z.B. Boston 2013; Carpenter et al. 2000), insbesondere ist der Bereich des Differenzierens bislang nicht in diesem Sinne untersucht. Die hierzu im Projekt entwickelte Fortbildung baut auf den bestehenden Praktiken der Lehrkräfte im Umgang mit Mathematikaufgaben auf und ergänzt diese um die Nutzung von Differenzierungsstrategien auf Aufgabenebene. Bisherige Studien zeigen Defizite bei der Nutzung von Aufgabenpotentialen (Hiebert et al. 2003), insbesondere zur Differenzierung (Leuders & Föckler 2016). Als Kern der Fortbildung wird eine Systematik des Differenzierungspotenzials von Aufgaben, d.h. der differenzierungsrelevanten Merkmale der äußeren und inneren Aufgabenstruktur (Leuders & Prediger, 2016, 144). Folgende Forschungsfragen werden adressiert:
- FF1 Wie kann man die Kompetenzen (Wissen, Begründungen von didaktischen Entscheidungen) von Lehrkräften in Bezug auf das Differenzierungspotenzial von Aufgaben erfassen?
- FF2 Welche Lernwege und -hürden zeigen Lehrkräfte bei der Auswahl bzw. Modifikation von Aufgaben und bei der Analyse der Lösungen ihrer Schülerinnen und Schüler?
- FF3 Verändert die Fortbildung die Kompetenzen der TeilnehmerInnen? Lassen sich Profile beim Umgang mit differenzierenden Aufgaben und bei der Kompetenzentwicklung identifizieren?
Einbettung der Forschung in Entwicklung und Implementation
Die Intervention bildet einen Baustein innerhalb eines umfassenderen Fortbildungskonzeptes zum Lehren in heterogenen Lerngruppen (kommentierte Module z.T. bereits verfügbar). Die Befunde erlauben eine vertiefte Information von MultiplikatorInnen über zu erwartende Lernwege und ein flexibleres Eingehen auf antizipierte Lernhürden.
Die Weiterentwicklung der Fortbildungslandschaft in Baden-Württemberg (mit einer Betonung der Evidenzbasierung) schafft einen Rahmen, die entwickelten Fortbildungen in einem scaling-up landesweit einzusetzen und zu evaluieren. Noch ungelöst ist dabei die Frage des Abgleichs mit Daten zur Unterrichtsimplementation und zu Schülerleistungen.
Methodisches Vorgehen
Die für das Differenzierungspotential einer Aufgabe relevanten Aspekte werden so restrukturiert, dass sie sowohl der Fortbildung, als auch dem Erfassungsinstrument zugrunde liegen. Das mehrstufige Fortbildungsdesign baut auf den Teilnehmererfahrungen auf und verbindet diese mit den Kategorien differenzierender Aufgaben (je ein typisches Aufgabenformat = äußere Aufgabenstruktur pro Sitzung, darin jeweils erweiternde lernrelevante Merkmale = innere Aufgabenstruktur). Das entsprechende Testinstrument (mit unabhängigen Aufgaben) wird durch Experten- und Interrateranalysen validiert und kann auch im Post-Test eingesetzt werden.
Strukturierte Interviews im Fortbildungslängsschnitt mit ausgewählten TeilnehmerInnen ermöglichen eine vertiefte Analyse von Urteilshintergründen (z.B. subjektiven Lerntheorien) und von Lernwegen im Verlauf.
Die Daten werden so erfasst, dass abschließend eine Triangulierung und eine qualitative und quantitative Typenbildung möglich ist.
Erste Ergebnisse
Es wurde bereits ein Testinstrument pilotiert und weiterentwickelt, das die Urteile der Lehrkräfte zum Differenzierungspotential von Aufgaben erfasst und mit Expertenurteilen vergleicht. Dabei zeigt sich, dass Lehrkräfte in unterschiedlichem Maße die Oberflächen- bzw. Tiefenstrukturen der Aufgaben fokussieren. Auch in begleitenden Interviews lassen sich Lehrkräfte identifizieren, die bei der Analyse der Lernprozesse einseitig die Oberflächenmerkmale betrachten. Die Ergebnisse wurden bereits auf Fachtagungen vorgestellt (Bardy, Leuders & Holzäpfel, eingereicht bei den proceedings der GDM-Jahrestagung)