DZLM-Schwerpunktprojekt
Professionalisierungsprozesse am exemplarischen Gegenstand „Sprachbildend Mathematik unterrichten lernen“ – eine Design- Research-Studie
Motivation und Zielsetzung
Aufgrund sprachbezogener Disparitäten ist Sprach¬bildung eine neue, wichtige Quer¬schnitts-aufgabe aller Fächer geworden, für die Lehrkräfte fortgebildet werden müssen. Aus¬gehend von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen auf Unterrichtsebene zu Gelingens¬bedin¬gun¬gen und Wirkungen sprachbildenden Fachunterrichts (Short 2017, Prediger & Wessel 2013) werden in sechs Designexperimentzyklen Fortbildungskonzepte entwickelt und erforscht, um Mathematik-Lehrkräfte für sprachbildenden Mathematikunterricht zu professionalisieren. Zu erforschen sind dazu Lernstände und Professionalisierungsbedarfe der Lehrkräfte sowie typische Lernwege in forschungsbasiert gestalteten Fortbildungsmodulen. Im letzten Zyklus wird die Wirksamkeit bzgl. Wissen und Haltungen von Lehrkräften und Lernenden untersucht. Das Projekt dient auch dazu, exemplarisch am Fortbildungsgegenstand „Sprachbildend Unterrichten lernen“ empirisch fundierte Theoriebildung zu betreiben und insbesondere eine Sprache zur Erfassung von gegenstandsbezogenen Professionalisierungsprozessen zu entwickeln.
Theoretische Rahmung und Forschungsfragen
Theoretisch gerahmt wird die Spezifizierung des Professionalisierungsgegenstands und die Rekonstruktion der Lernwege der Lehrkräfte durch das Modell zur Expertise von Lehrkräften von Bromme (1992), mit seinem Fokus auf das Zusammenspiel von Jobs (= didaktischen Anforderungssituationen) und den zugrundeliegenden Kategorien, Werkzeugen und Haltungen. Elemente der profes-sionellen Expertise von Lehrkräften werden demnach spezifiziert, indem die zur Bewältigung der Jobs notwendigen Kategorien, Werkzeuge und Haltungen identifiziert werden. Für den sprachbildenden Unterricht zeigen sich fünf Jobs als relevant: Sprache diagnostizieren, einfordern, unterstützen, sukzessive aufbauen sowie fachlich relevante sprachliche Anforderungen identifizieren (Prediger 2018).
Im Sinne des situierten Lernens werden die Fortbildungen entlang dieser Anforderungssituationen konzipiert, um unterrichtliches Probehandeln zu ermöglichen. Die nachträgliche Reflektion situiert die zu lernenden Kategorien konkret in den Jobs. Zentrale Forschungsfragen sind
- FF1 Welche gegenstandsspezifischen Kategorien, Werkzeuge und Haltungen zu den fünf genannten Jobs aktivieren Lehrkräfte zu Beginn einer Fortbildung, und wie entwickeln sich diese weiter?
- FF2 Welche Design-Elemente und Aktivitäten können die Professionalisierungsprozesse bzgl. welcher gegenstandsspezifischen Kategorien, Werkzeuge und Haltungen fördern?
- FF3 Welche Wirksamkeit entfaltet die iterativ entwickelte Fortbildung auf Ebene der Lehrkräfte, welche auf Ebene der Kinder?
Einbettung der Forschung in Entwicklung und Implementation
Ein wichtiges Ergebnis des Design-Research-Projekts ist die empirisch fundierte Entwicklung eines mehrteiligen Fortbildungsmoduls, dessen Beginn etwa 20-mal durchgeführt wurde (in neun Bundesländern, Österreich und Schweiz), die ganze Reihe sechs Mal. Beforscht wird die viermalige Durchführung in drei Bundesländern (Hamburg, Thüringen, 2 x Nordrhein-Westfalen). Das Entwicklungs-produkt wurde aufbereitet als disseminierbares Fortbildungsmodul mit vier Bausteinen à 4h, das über die Webseite bundesweit als OER bereit gestellt wird. Die Forschungsergebnisse flossen auch ein in die Qualifizierung von insgesamt 120 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.
Methodisches Vorgehen
In 6 Design-Experiment-Zyklen wurden die Fortbildungskonzepte entwickelt, erprobt und untersucht. Zur Datenerhebung wurden alle Fortbildungssitzungen und ausgewählte Unterrichtsstunden videographiert und Lernendenprodukte erfasst. Die qualitative Datenauswertung nutzte je nach Forschungsfokus der einzelnen Zyklen verschiedene Methoden.
Die Wirksamkeitsstudie wird im Schuljahr 2017/18 durchgeführt mit n=70 Lehrkräften im quasiexperimentellen Prä-Post-Design. Die Lehrkräfte der Interven-tionsgruppe erhalten eine fünfteilige Fortbildung und unterstützendes Unterrichtsmaterial, die Lehrkräfte der Kontrollgruppe nur das Unterrichtsmaterial. Die Vor- und Nacherhebung bei den Lehrkräften erfasst gegenstandsbezogene Haltungen und Kategorien zum sprachbildenden Mathematikunterricht. Der Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler beim Prozentverständnis wird unter Berücksichtigung relevanter Kontrollvariablen (Sprachkompetenz, Sprachbiographie, usw.) verglichen.
Erste Ergebnisse
Die vielfältigen qualitativen Einsichten in die Professionalisierungsbedarfe und typischen Verläufe und Hürden in den Lernprozessen der Lehrkräfte haben die Weiterentwicklung der Fortbildungsmaterialien beeinflusst und erste Hypothesen über die Strukturen in der Expertise hervorgebracht, die es mit den noch folgenden quantitativen Erhebungen zu überprüfen gilt. Theoretisch und praktisch relevante Einsichten in Gelingensbedingungen und Wirkungsweisen von Design-Elementen werden auf Übertragbarkeit weiter geprüft. Das iterativ entwickelte Fortbildungsmaterial liegt inzwischen als OER (Open Educational Resources) zur freien Verfügung auf der DZLM-Webseite.