DZLM-Schwerpunktprojekt
Lernprozesse von Lehrpersonen im Rahmen einer Fortbildung zu inklusivem Mathematikunterricht
Motivation und Zielsetzung
Mit der Inklusion im Sekundarbereich wachsen die Bedarfe nach fachspezifischer Unterrichtsentwicklung und so auch die Notwendigkeit entsprechender Lehrerprofessionalisierungsmaßnahmen, bspw. in Form von Lehrerfortbildungen. Die in Fortbildungen ablaufenden individuellen Lernprozesse der Lehrpersonen stellen bisher allerdings einen nur wenig untersuchten Bereich dar, obgleich das Verstehen dieser Lernprozesse für die systematische und effektive Fortbildungsgestaltung grundlegend ist (vgl. Prediger, Leuders & Rösken-Winter, 2018). Schließlich stellt sich die Frage, welche gegenstandsspezifischen Lernprozesse durch die eingesetzten Materialien, Aufgaben und Lernunterstützungen im Rahmen der Fortbildung angestoßen werden (ebd.). Dieses Projekt ist Teil einer eineinhalbjährigen Fortbildung zu „Mathematik und Inklusion“ in Rheinland-Pfalz. Zu Beginn des Projektes steht zunächst das „Sichtbar machen“ von Lernprozessen zum inklusiven Mathematikunterricht der Lehrpersonen durch den Einsatz von Portfolios im Vordergrund. Zusätzlich zu den individuellen Lernprozessen soll zukünftig der Zusammenhang zwischen diesen und der Teamarbeit in professionellen Lerngemeinschaften untersucht werden.
Theoretische Rahmung und Forschungsfragen
Die Erfassung dieser Lernprozesse ist mit den Fragen verbunden, was die Lehrkräfte in der Fortbildung lernen sollen und wodurch sich inklusiver Mathematikunterricht auszeichnet. Grundlegend für eine inklusive Unterrichtsentwicklung ist es, „der Heterogenität der Lernenden begegnen zu können, individuelle Förderung zu ermöglichen und dem Ziel des tatsächlich gemeinsamen (Mathematik)Lernens gerecht zu werden“ (Häsel-Weide, 2017, S. 20). Vor diesem Hintergrund werden fachdidaktische Aspekte, z. B. gemeinsames Lernen am gemeinsamen Gegenstand, sowie die Diagnose in inklusiven Lernsituationen relevant.
Insgesamt wird die übergeordnete Forschungsfrage "Welche Lernprozesse werden bei den Lehrpersonen mit Blick auf die Gestaltung inklusiven Mathematikunterrichts durch die Fortbildung angestoßen?" mit folgenden Teilfragen untersucht:
- FF1 Welche Fortbildungsinhalte greifen die Lehrpersonen hinsichtlich Planung, Umsetzung und Reflexion ihres persönlichen Lernziels (als Marker für ihren Lernprozess) auf?
- FF2 Inwiefern gelingt den Lehrpersonen ein Transfer der in der Fortbildung kennengelernten Gestaltungsmöglichkeiten von inklusivem Mathematikunterricht auf andere Lernsituationen?
Im Drei-Tetraeder-Modell der gegenstandsspezifischen Professionalisierungs-forschung lässt sich dieses Projekt auf der Seitenfläche der gegenstandsspezifischen Lernwege und kognitiven Aktivitäten der Lehrkräfte auf der Fortbildungsebene einordnen (vgl. Prediger et al., 2018).
Einbettung der Forschung in Entwicklung und Implementation
Die Fortbildung „Mathematik und Inklusion“ ist ein Projekt des pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz, welches durch die Abteilung SB3 des DZLM begleitet wird. Fortbildungsmaterialien werden primär von Beratungskräften für Unterrichtsentwicklung Mathematik und Beratungskräften für Inklusion des Landesinstituts unter Beratung der Abteilung SB3 entwickelt. Die Maßnahme findet über den Zeitraum der beiden Schuljahre 2017/18 und 2018/19 mit ca. 30 Teilnehmenden aus zehn Schulen statt und erstreckt sich über mindestens acht Fortbildungstage. Die Stichprobe setzt sich aus Lehrkräften der Sekundarstufe I unterschiedlicher Schulformen (i. d. R. Realschule Plus, integrierte Gesamtschule und Gymnasium) sowie Förderschullehrkräften zusammen. Ergänzt werden die Fortbildungstage durch individuelle Treffen der Schulteams mit den Beratungskräften. Die Projektergebnisse fließen in die zukünftige Fortbildungsgestaltung beispielsweise im Rahmen der Materialentwicklung wieder ein.
Methodisches Vorgehen
Vor Beginn des ersten Moduls der Fortbildungsmaßnahme im September 2017 wurde ein Eingangsfragebogen eingesetzt, in welchem unter anderem die bisherigen Erfahrungen und Einstellungen der Lehrpersonen mit Blick auf inklusiven und nicht-inklusiven Mathematikunterricht erhoben wurden. Um im Verlauf der Fortbildung die Lernprozesse der Lehrkräfte erfassen zu können, werden kontinuierlich Portfolios eingesetzt. Ausgehend vom erweiterten Prozess-Modell der Selbstregulation (Schmitz & Schmidt 2007) spielen selbst gesetzte Lernziele, welche als Lernprozessmarker im Rahmen des Projektes genutzt werden sollen, sowie deren Veränderung und Weiterentwicklung vor dem Hintergrund des vorangegangenen Lernens (z. B. durch Fortbildungsinhalte) eine wichtige Rolle. In den ersten beiden Portfolioeinträgen standen die Festlegung und Reflexion des persönlichen Lernziels sowie der Erfahrungen aus dem ersten Fortbildungsmodul und dem inklusiven Mathematikunterricht in der Distanzphase im Mittelpunkt.
Erste Ergebnisse
In Portfolio 1 zeigen sich zwar interessante Ideen, allerdings beantworten die Lehrpersonen die Reflexionsaufträge oftmals wenig konkret, z. B. Es soll ein gemeinsamer Start in ein Thema erfolgen (durch eine gemeinsame Aufgabe), bei jedem doch die Auseinandersetzung mit der Aufgabe ganz individuell erfolgen kann/soll. [Antwort zu „geplante nächste Schritte“]. Um konkretere Antworten mit Blick auf inklusiven Mathematikunterricht zu erhalten, bestehen die nachfolgenden Portfolios neben Reflexionsaufträgen auch aus Aufgabenstellungen, bei denen die Lehrpersonen die Fortbildungsinhalte, z. B. auf Lernsituationen in einem inklusiven Klassenzimmer, anwenden sollen. Ergänzend werden Interviews mit einigen Lehrpersonen geführt, um ihre Portfolioeinträge expliziter ausführen zu lassen.